Das Recht
Das Recht tritt in Erscheinung sobald der Mensch sich in Gesellschaft begibt. Der Grund dafür ist sehr einfach, da das Recht nichts anderes darstellt, als eine Verhaltensregel zwischen Menschen. Menschen leben nun einmal in Gemeinschaft und geraten unumgänglich in gegenseitige Berührung. Dieser soziale Kontakt birgt Situationen und Konflikte, die entsprechend gelöst werden müssen. Man benötigt Absprachen und konkrete Regeln was eine Person der anderen gegenüber tun darf oder soll. Es entsteht eine Rechtsnorm.
Eine juristische Norm erfordert immer die Anwesenheit zweier Subjekte und ist nicht denkbar ohne diese Grundvoraussetzung. Um diese elementare Idee zu verdeutlichen nimmt man gerne Robinson Crusoe als Beispiel. Solange Robinson alleine auf der Insel ist, braucht er weder Regeln noch Gesetze. Doch mit dem Erscheinen von Freitag kommt auch die Rechtsnorm zum Vorschein.
Der Inhalt der Rechtsnormen, d.h. die Kriterien nach denen eine Regulierung erfolgt, hängt von den Gesellschaftswerten und dem sozialen Umfeld ab. Jede Gesellschaft hat ihre eigene Vorstellung wie bestimmte Probleme gelöst werden sollen oder welche rechtlichen Positionen die Beteiligten haben. Was in einer Gesellschaft für gerecht erachtet wird kann in einer anderen Gesellschaft als ungerecht betrachtet werden.
Das spanische Rechtssystem
Alle Rechtssysteme sind vom Zweck her für den sie geschaffen wurden gleich. Im Endeffekt geht es immer um das Zusammenleben in Gemeinschaft und die dadurch notwendige Organisation. Allerdings und bedingt durch soziale Faktoren kann man verschiedene Systemformen unterscheiden.
Global gesehen sind die europäischen Rechtssysteme, vom britischen einmal abgesehen, ähnlich in Aufbau und Prinzipien. Unzählige Gründe sind dafür verantwortlich, sowohl geschichtliche, juristische als auch geopolitische. Das geht vom römischen Privatrecht über die Französische Revolution bis hin zu einem vereinten Europa. In großen Zügen bildet Europa ja, zivilisatorisch gesehen, eine Einheit.
Geschichtlich und politisch gesehen ist dies deutlich erkennbar. Spanien wurde genau wie die anderen europäischen Länder von allen wichtigen politischen Ereignissen und geschichtlichen Tendenzen beeinflusst. Die spanische Halbinsel entzog sich weder den revolutionären Ideen Frankreichs und der Gewaltenteilung, noch des Liberalismus, den liberalen Eigentumsvorstellungen oder wichtigen modernen Autoren wie Savigny, Jhering und Kelsen.
Seit 1978 ist Spanien nun wieder eine Demokratie und fester Bestandteil der Europäischen Union. Kernpunkt des spanischen Staates bildet die spanische Verfassung, die dem deutschen Grundgesetz teilweise ähnlich ist. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass das deutsche Grundgesetz eine der vielen Grundlagen für die spanische Verfassung war. Das spanische Königreich ist heutzutage ein demokratischer Sozial- und Rechtsstaat mit Gewaltenteilung (Exekutive, Legislative, Judikative) und Parteiensystem.
Auf juristischer Ebene ist das nicht anders. Nehmen wir z.B. die europäischen Zivilgesetzbücher (BGB, Código Civil etc.) um dies zu veranschaulichen. Den Ausgangspunkt vieler heutiger Rechtsfiguren, die wir kennen und benutzen, bildet das römische Recht der Antike. Bereits im alten Rom existierte eine so großartige und abstrakte Rechtswissenschaft, dass diese sich in den folgenden Jahrhunderten hielt und fortwährend als Referenz genommen wurde. Man muss sich vor Augen führen, dass die Zivilrechtswissenschaft sich bis Ende des 19. Jahrhunderts grundsätzlich als Wissenschaft des römischen Rechts verstand. Begriffe und Rechtstechniken wurden fortgeführt und verfeinert. Dies erklärt viele Ähnlichkeiten.
In gleichem Maße gilt dies heutzutage z.B. für das Strafverfahren oder den Zivilprozess. Im spanischen Verfahrensrecht findet man viele Verfahrensprinzipien, die auch in Deutschland gelten (im Strafverfahren z. B. den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, das Offizialprinzip, die Waffengleichheit usw. oder im Zivilverfahren die Verhandlungs- und Dispositionsmaxime).
Letzten Endes sind unsere kontinentalen europäischen Rechtssysteme, bedingt durch viele gemeinsame Faktoren, also miteinander verwandt. Und dies mit steigender Tendenz infolge der Europäischen Union und dem Gemeinschaftsrecht. Nun hat dies aber nicht zu bedeuten, dass für gleiche Probleme in jedem Land auch identische Lösungen existieren. Jede Gesellschaft hat eigene Ansichten, Traditionen und Tendenzen in Bezug auf Rechtsnormen und Justiz. Und dies ist die Quintessenz: Obwohl die Grundlage also nicht sehr verschieden ist, unterscheidet sich das spanische Rechtsystem in bestimmten Details und Problemlösungen.
In der Praxis sollte man daher Vorsicht walten lassen und viele Faktoren in Betracht ziehen. Aus der Sicht des normalen Bürgers sind dies üblicherweise Fragen in Bezug auf Gerichte, Anwälte, Prokuristen oder Behördengänge.