Das spanische Strafgesetzbuch (Código Penal)
1. Einleitung
Das spanische Kernstrafrecht ist im Código Penal bzw. im spanischen Strafgesetzbuch enthalten (Ley Orgánica 10/1995, de 23 de noviembre, del Código Penal). Der aktuelle Código Penal wurde 1995 verabschiedet und trat 1996 in Kraft. Es handelte sich somit um das erste Strafgesetzbuch der Demokratie von 1978 und der ausdrücklich die Vorgaben der neuen spanischen Verfassung berücksichtigte. Seit 1996 wurde der Código Penal mehr als 30 Mal novelliert und mit neuen Straftatbeständen ergänzt.
Im Vergleich zu anderen Ländern war der spanische Gesetzgeber in Bezug auf das Nebenstrafrecht zurückhaltend. Vereinzelte Straftatbestände befinden sich u. a. im Wahlgesetz (Ley Orgánica 5/1985, de 19 de junio, del Régimen Electoral General) oder im strafrechtlichen Nebengesetz über Luftverkehr (Ley 209/1964, de 24 de diciembre, por la que establece la Ley penal y procesal, en materia de navegación aérea). Dies ist aber eher die Ausnahme.
Der Código Penal unterteilt sich einen Einleitenden Teil und zwei 2 Bücher:
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- Einleitender Teil. Strafrechtliche Garantien und Anwendung des Strafgesetzes. Hier wird u. a. erneut auf die strafrechtlichen Grundprinzipien Bezug genommen (siehe Strafrecht in Spanien und die spanische Verfassung).
- Buch I: Allgemeiner Teil. Dieses Buch behandelt die Lehre und die Folgen der Straftat.
- Buch II: Besonderer Teil. Hier sind die einzelnen Delikte mit ihren jeweils einzelnen Tatbestände enthalten, d. h. die gesetzliche Beschreibung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer Straftat, sowie der entsprechend vorgesehene Strafrahmen.
Das damalige Buch III wurde 2015 aufgehoben. Es regelte die faltas (Übertretungen). Diese sind teilweise in den Ordnungswidrigkeiten der Verwaltung aufgegangen, während andere faltas durch die neuen delitos leves (geringfügige Vergehen) ersetzt wurden. Eine besonders wichtige Rechtsfolge dieser Novellierung waren die Vorstrafen. Eine Verurteilung im Juicio de faltas hatte nämlich keine Vorstrafen zur Folge. Im Falle der delitos leves hingegen gilt man im Falle einer Verurteilung nun als vorbestraft.
Das Jahr 2015 brachte aber noch zwei weitere Neuerungen von großer Tragweite. So wurde die lebenslange überprüfbare Haftstrafe (z. B. für Mord mit strafschärfenden Tatumständen oder Völkermord) und die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen eingeführt.
2. Strafbare Handlungen
Das spanische Strafrecht wurde eindeutig von der deutschen Strafrechtswissenschaft geprägt. Auch hier gilt, dass damit eine Person bestraft werden kann anfänglich drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen:
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- Tatbestandsmäßigkeit (tipicidad)
- Rechtswidrigkeit (antijuridicidad)
- Schuld (culpa)
Erst wenn alle drei Teile erfüllt sind kann bestraft werden. Eine Straftat ist demzufolge eine tatbestandsmässige (típica), rechtswidrige (antijurídica) und schuldhafte (culpable) Handlung (acción) oder Unterlassung (omisión) und somit in der Regel strafrechtlich verfolgbar.
In einigen Fällen existieren noch zusätzliche Voraussetzungen oder auch Ausnahmen, die vom Gesetzgeber aus kriminalpolitischen Gründen vorgesehen sind. Ein Beispiel wäre Artikel 268 des Código Penal bei Vermögensdelikten unter Familienangehörigen (in diesem besonderen Fall ist der spanische Gesetzgeber der Meinung, dass der familiäre Zusammenhalt über der strafrechtlichen Verfolgung steht, solange es zu keiner Gewalt, Einschüchterung oder Missbrauch besonders verletzbarer Personen kommt).
3. Strafen
Der Código Penal (Artikel 32) sieht grundsätzlich drei verschieden Strafarten vor:
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- Freiheitsstrafe (Gefängnisstrafe, permanente Aufenthaltsüberwachung und Ersatzfreiheitsstrafen wegen Nichtzahlung von Geldstrafen).
- Andere rechtsentziehende Strafen.
- Geldstrafe (in Tagessätzen).
Fernerhin erfolgt eine Unterteilung in schwere, weniger schwere und leichte Strafen, sowie in Haupt- und Nebenstrafen. So werden je nach Art und Dauer schwere, weniger schwere und leichte Strafen unterschieden (Artikel 33 Código Penal):
1. Entsprechend ihrer Art und Dauer werden die Strafen in schwere, weniger schwere und leichte Strafen klassifiziert.
2. Schwere Strafen sind:
a) lebenslange revidierbare Freiheitsstrafen.
b) Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren.
c) absolute Untauglichkeitserklärung.
d) besondere Untauglichkeitserklärung für die Dauer von mehr als fünf Jahren.
e) Suspendierung von öffentlicher Anstellung oder öffentlichem Amt für die Dauer von mehr als fünf Jahren.
f) Entzug der Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kleinkrafträder für die Dauer von mehr als acht Jahren.
g) Entzug des Waffenscheins für die Dauer von mehr als acht Jahren.
h) Entzug des Rechts, an bestimmten Orten zu wohnen oder diese aufzusuchen für die Dauer von mehr als fünf Jahren.
i) Das Verbot, sich dem Opfer oder dessen Familienangehörigen oder anderen Personen, die vom Richter oder dem Gericht bestimmt werden, zu nähern für die Dauer von mehr als fünf Jahren.
j) Das Verbot, sich mit dem Opfer oder dessen Familienangehörigen oder anderen Personen, die vom Richter oder dem Gericht bestimmt werden, in Verbindung zu treten, für die Dauer von mehr als fünf Jahren.
k) Der Entzug der elterlichen Sorge.
3. Weniger schwere Strafen sind:
a) Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
b) besondere Untauglichkeitserklärungen bis zu fünf Jahren.
c) Suspendierung von öffentlicher Anstellung oder öffentlichem Amt bis zu fünf Jahren.
d) Entzug der Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kleinkrafträder für die Dauer von einem Jahr und einem Tag bis zu acht Jahren.
e) Entzug des Waffenscheins für die Dauer von einem Jahr und einem Tag bis zu acht Jahren.
f) besondere Untauglichkeitserklärung zur Berufsausübung, Gewerbe oder Handel mit Tieren oder Tierbesitz für die Dauer von einem Jahr und einem Tag bis zu fünf Jahren.
g) Entzug des Rechts, an bestimmten Orten zu wohnen oder diese aufzusuchen für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
h) Verbot, sich dem Opfer oder dessen Familienangehörigen oder anderen Personen, die vom Richter oder dem Gericht bestimmt werden, zu nähern für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
i) Verbot, sich mit dem Opfer oder dessen Familienangehörigen oder anderen Personen, die vom Richter oder dem Gericht bestimmt werden, in Verbindung zu treten, für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
j) Geldstrafe von mehr als drei Monaten.
k) wertbezogene Geldstrafen gleich welcher Höhe
l) gemeinnützige Arbeiten mit einer Dauer von 31 Tagen bis zu einem Jahr.
4. Leichte Strafen sind:
a) Entzug der Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge und Krafträder für die Dauer von drei Monaten bis zu einem Jahr.
b) Entzug des Waffenscheins für die Dauer von drei Monaten bis zu einem Jahr;
c) besondere Untauglichkeitserklärung zur Berufsausübung, Gewerbe oder Handel mit Tieren oder Tierbesitz für die Dauer von drei Monaten bis zu einem Jahr.
d) Entzug des Rechts, an bestimmten Orten zu wohnen oder diese aufzusuchen für die Dauer von weniger als sechs Monaten.
e) Verbot, sich dem Opfer oder dessen Familienangehörigen oder anderen Personen, die vom Richter oder dem Gericht bestimmt werden, zu nähern für die Dauer von einem Monat bis zu einem Jahr.
f) Verbot, sich mit dem Opfer oder dessen Familienangehörigen oder anderen Personen, die vom Richter oder dem Gericht bestimmt werden, in Verbindung zu treten, für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten.
g) Geldstrafe von bis zu drei Monaten.
h) permanente Aufenthaltsüberwachung von einem Tag bis zu drei Monaten.
i) gemeinnützige Arbeiten mit einer Dauer von 1 Tag bis zu 30 Tagen.
5. Die Klassifizierung der Ersatzfreiheitsstrafe wegen Nichtzahlung der Geldstrafe ist weniger schwer oder leicht gemäß der Strafe, die sie ersetzt.
6. Die Nebenstrafen haben dieselbe Dauer wie die jeweilige Hauptstrafe, mit Ausnahme der ausdrücklich in den Bestimmungen dieses Gesetzbuches vorgesehen Fälle.
Die Klassifizierung des Artikels 33 Código Penal mag auf den ersten Blick sehr theoretisch und sogar unpraktisch aussehen. Jedoch wird auf diese Einteilung oft Bezug genommen, z. B. bei der Löschung von Vorstrafen.
Festnahmen, Untersuchungshaft und sonstige vorläufigen Maßnahmen strafrechtlicher Art gelten nicht als Strafen. Gleiches gilt für Geldbußen und sonstige Sanktionen, die in Ausübung der Verwaltungs- und Disziplinarbefugnisse verhängt werden, sowie der Entzug von Rechten und wiedergutmachenden Sanktionen zivil- oder verwaltungsrechtlicher Gesetze.
4. Geldstrafe
Artikel 50 des Código Penal bestimmt die Rahmenbedingungen der Geldstrafe, die einem Tagessatzsystem folgt. Dies bedeutet, dass die Geldstrafe nach einer Tagessatzzahl und Tagessatzhöhe bemessen wird. Die Untergrenze der Tagessatzzahl beträgt 10 Tage und die Obergrenze zwei Jahre (für juristische Personen liegt die Obergrenze bei fünf Jahren). Das Minimum der Tagessatzhöhe liegt bei 2 Euro und die Obergrenze bei 400 Euro (im Falle juristischer Personen sind jeweils 30 und 5.000 Euro vorgesehen). Sollte die Geldstrafe in Monaten oder Jahren festgelegt werden, gilt für die Berechnung, dass Monate 30 Tage und Jahre jeweils 360 Tage haben.
5. Ausgewählte Artikel des Código Penal
Nachfolgend werden einige Beispiele der einzelnen Teile des Código Penal aufgeführt.
Einleitender Titel – Strafrechtliche Garantien und Anwendung des Strafgesetzes
Artikel 1 und 2 Keine Strafe ohne Gesetz, zeitliche Geltung und Rückwirkungsverbot
Buch I Allgemeiner Teil – Allgemeine Bestimmungen über Straftaten, verantwortliche Personen, Strafen, Massregeln der Sicherung und sonstige Folgen der strafbaren Handlung
Artikel 10 Verbrechensbegriff
Artikel 11 Begehen durch Unterlassen
Artikel 12 Fahrlässiges Handeln
Artikel 14 Verbotsirrtum
Artikel 16 Strafbarkeit des Versuchs
Artikel 20 Schuldunfähigkeit
Artikel 21 Milderungsgründe
Artikel 22 Erschwerungsgründe
Artikel 27 und ff. Täterschaft
Artikel 32 und ff. Strafen
Artikel 50 Geldstrafe
Artikel 54 Nebenstrafen
Artikel 61 und ff. Grundsätze der Strafzumessung
Artikel 80 Strafaussetzung von Freiheitsstrafen
Artikel 131 Verjährungsfristen
Buch II Besonderer Teil – Straftaten und ihre Strafen
Artikel 138 Totschlag und seine Formen
Artikel 147 Körperverletzungen
Artikel 163 Freiheitsberaubung und erpresserische Entführung
Artikel 169 Bedrohung
Artikel 177 bis Menschenhandel
Artikel 234 Diebstahl
Artikel 237 Schwerer Diebstahl
Artikel 248 Betrug
Artikel 263 Sachbeschädigung
Artikel 298 Geldwäsche
Artikel 305 Steuerstraftaten
Artikel 359 Straftaten gegen das öffentliche Gesundheitswesen
Artikel 379 Gefährdung des Straßenverkehrs
Artikel 386 Geld- und Wertzeichenfälschung
Artikel 390 Urkundenfälschung
Artikel 451 Strafvereitelung
Artikel 472 und ff. Straftaten gegen die Verfassung
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