Der Prozessvertreter
Der Prozessvertreter (Procurador) oder Prozessbevollmächtigter ist eine Besonderheit des spanischen Rechts. Er vertritt die Partei vor Gericht. Die Figur des Prozessvertreters hat sich über Jahrhunderte aus der spanischen Rechtspraxis herausgebildet. Man geht in Spanien davon aus, dass eine Partei in allen wichtigen Verfahrensschritten anwesend zu sein hat und am Prozessbetrieb teilnimmt. Dementsprechend werden der Partei durchgehend die jeweiligen Prozesshandlungen zugestellt. Und genau hier tritt der Prozessvertreter in Erscheinung, der als bevollmächtigter Vertreter der Partei auftritt, die jeweiligen Zustellungen in Empfang nimmt oder Anträge einreicht. Seine Tätigkeit erfolgt allerdings immer unter der Leitung des Rechtsanwalts.
In Spanien erfolgt somit eine personelle Trennung zwischen dem Prozessbevollmächtigten (representatio ad litem) und der fachlichen Beratung des Mandanten und seiner Interessenverteidigung durch den Rechtsanwalt (Abogado).
Es ist wichtig, dies ganz genau zu unterscheiden. Der Prozessvertreter vertritt die Partei durch seine Anwesenheit, unterschreibt im Namen des Mandanten, leitet die Zustellungen des jeweiligen Gerichts an den Anwalt weiter oder unterstützt z. B. Pfändungen. Aber die Prozessstrategie gibt der Rechtsanwalt vor und nur dieser berät den Mandanten und trifft rechtliche Entscheidungen am Gericht.
Prozessvertreter sind Volljuristen mit abgeschlossenem Universitätsstudium. Sie sind ebenso wie die Rechtsanwälte in Kammern und Provinzen organisiert. Ehemals durfte ein Prozessvertreter im Gegensatz zum Rechtsanwalt nicht außerhalb seines Kammerbezirks tätig werden. Ein Prozessvertreter war demnach an seine Provinz und die entsprechenden Gerichte gebunden. Heutzutage darf ein Prozessvertreter vor allen spanischen Gerichten auftreten.
Obwohl in den letzten Jahren die spanische Gerichtsverwaltung zur digitalen Sachbearbeitung übergangen ist und Zustellungen nun telematisch erfolgen, ist es trotzdem oft noch sehr zweckdienlich eine Person direkt vor Ort am zuständigen Gericht zu haben, so dass der Prozessvertreter z. B. persönlich Akteneinsicht nehmen oder mit den Sachbearbeitern sprechen kann.
In der täglichen Vorgehensweise erweist sich das System der Prozessvertreter als außerordentlich nützlich und praktisch. Insbesondere für weit entfernte Gerichtsverfahren. Denn Spanien ist mit einem Netz an Prozessvertretern überzogen. Mandant und Rechtsanwalt benötigen daher nur den entsprechenden Prozessvertreter am jeweiligen Gericht vor Ort, um das Verfahren leiten und verfolgen zu können.
Prozessvertreterzwang
Zu beachten ist unbedingt, dass in bestimmten Gerichtsverfahren Prozessvertreterzwang herrscht, d. h. die Pflicht sich durch einen Prozessvertreter vertreten zu lassen. Als Beispiel sei die ZIvilgerichtsbarkeit aufgeführt:
Hier ist nach den wichtigsten Verfahren zu unterscheiden:
- Juicio Verbal (Mündliches Verfahren). Es handelt sich hierbei um ein mündliches Kurzverfahren bis zu einem Streitwert von 6.000 € oder bestimmte und durch die spanische ZPO vorgesehen Fälle. Anwaltszwang ab einem Streitwert von 900 € und Prozessvertreterzwang ab 2.000 €.
- Juicio Ordinario (Ordentliches Verfahren). Der Juicio Ordinario ist das Standardverfahren ab 6.000 € oder durch die ZPO vorgesehen Fälle. Anwaltszwang und Prozessvertreterzwang.
- Proceso Monitorio (Mahnverfahren). Das Mahnverfahren bietet die Möglichkeit Geldforderungen durchzusetzen. Es handelt sich dabei nicht um ein Verfahren mit Verhandlung und Überprüfung des Anspruchs im klassischen Sinn, sondern um einen einfachen Zahlungsbefehl an den Schuldner. Hier existiert keine Streitwertbeschränkung. Für den Antrag des Gläubigers ist weder ein Rechtsanwalt- noch Prozessvertreterzwang vorgesehen. Für den Widerspruch bzw. um Rechtsmittel gegen Mahnverfahren einzulegen (der Schuldner) herrscht jedoch Anwalts- und Prozessvertreterzwang, wenn der Streitwert —gemäß den allgemeinen Regeln der spanischen ZPO (siehe oben)— die entsprechende Mindestgrenze überschreitet.
- Bei Vollstreckungen von Titeln und Gerichtsurteilen finden die allgemeinen Regeln der spanischen ZPO Anwendung (jeweils 900 € und 2.000 €).