Das spanische Rechtssystem

Das Gerichtsurteil

Am Ende eines Verfahrens ergeht das Gerichtsurteil. Hier gibt es immer wieder häufig gestellte Fragen wie z. B. wann wird denn das Urteil verkündet oder warum sind keine Unterschriften auf dem Urteil?

Spanische Gerichtsurteile ergehen im Namen des Königs und strukturieren sich in fünf Abschnitte. Diese werden von Artikel 248.3 LOPJ (Gerichtsverfassungsgesetz) allgemein vorgegeben. In den jeweiligen Gerichtsbarkeiten sehen die Prozessordnungen weitere Einzelheiten vor. Die Artikel 206 und ff. der LEC (Zivilprozeßordnung) und 141 und ff. der LECr (Strafprozeßordnung) legen dies z. B. im Einzelnen für Zivil- und Strafurteile dar.

Wie im Schaubild dargestellt sieht das Gesetz folgende Punkte vor:

  1. Encabezamiento / Rubrum bzw. Urteilskopf.
  2. Antecedentes de hecho / Tatbestand.
  3. Hechos probados (en su caso) / Erwiesenen Tatsachen oder Sachverhalt.
  4. Fundamentos de derecho / Entscheidungsgründe.
  5. Fallo o parte dispositiva / Tenor.

Punkt 3 ist je nach Sachverhalt und Gerichtsbarkeit optional. Abschließend werden die Rechtsmittelbelehrung und den Fristen für die Anfechtung des Urteils aufgeführt (falls dies überhaupt noch möglich sein sollte), sowie weitere Anweisungen in Bezug auf Zustellung und Veröffentlichung.

Im Vergleich zu anderen Ländern (z. B. Deutschland) schließt der Tenor das Urteil ab und ist am Ende aufgeführt. Nach Darlegung der aller relevanten Tatsachen und Rechtsausführungen bildet der Tenor also die zusammenfassende Entscheidung des Gerichts.

Das Urteil wird üblicherweise in den folgenden Tagen oder Wochen nach der öffentlichen Sitzung oder Hauptverhandlung zugestellt. Sehr viele haben das Bild eines Richters vor Augen, der sich nach der Hauptverhandlung zurückzieht und dann das Urteil verkündet. Dies ist in Spanien eher die Ausnahme. Diese Möglichkeit ist zwar vorgesehen (sentencia in voce) aber findet in der Praxis nur ausnahmsweise Anwendung. Das Gericht stellt das Urteil dem Prozessvertreter oder Rechtsanwalt zu und dieser teilt dann seinem Mandanten die Entscheidung mit. Eine Ausnahme bildet das schnelle Strafverfahren (Juicio rápido) im Strafrecht. Bei Einvernehmlichkeit ergeht umgehend das Urteil, welches dem Angeklagten vom Richter vorgelesen wird.

Von dem Gerichtsurteil wird kein Original mit Unterschriften ausgehändigt. Es handelt sich um einfache Abschriften auf offiziellem Papier. Auf jeder Seite ist das spanische Staatswappen abgebildet mit dem Hinweis Administración de Justicia. Im Falle von Autonomen Regionen, denen die Justizverwaltung übertragen wurde, ist oft zusätzlich oder alleine das Wappen der Region abgebildet. Zuweilen kann ein Stempel des Gerichts abgebildet sein. Benötigt man ein Original so muss am Gericht eine Ausfertigung beantragt werden. Diese wird vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ausgestellt, der die Urteile verwahrt (Urteilsregister) und fernerhin über die Beglaubigungsbefugnis der Justiz verfügt. Im Zuge der Digitalisierung hat sich dies alles geändert und Ausfertigungen sind oft gar nicht mehr nötig. Die Urteile werden elektronisch zugestellt und sind seitlich mit einem elektronischen Code (CSV) versehen. Mit diesem Identitätscode kann die Echtheit, der Ursprung und die Unversehrtheit des Dokuments überprüft werden.

Nachfolgend können einige öffentlich zugängliche Urteile (ohne CSV) als Beispiele eingesehen werden:

Das Urteil Nr. 459/2019 des Obersten Gerichtshof (Tribunal Supremo) in der Strafsache der katalanischen Separatisten oder Juicio del procés (zum Download des Urteils bitte hier klicken):

  • Encabezamiento (Seite 1 bis 2).
  • Antecedentes (Seite 3).
  • Fundamentos de Derecho (Seite 60).
  • Fallo (Seite 488).

Das Urteil Nr. 427/2019 des Landgerichts Saragossa in der Strafsache des so genannten Hosenträgerverbrechens oder crimen de los tirantes. Hier handelt es sich um ein Verfahren mit Geschworenen (zum Download des Urteils bitte hier klicken):

  • Encabezamiento (Seite 1).
  • Antecedentes de hecho (Seite 2).
  • Fundamentos de Derecho (Seite 12).
  • Fallo (Seite 48).

Das Revisionsurteil Nr. 44/2019 des Obersten Gerichtshof (Tribunal Supremo) in der Sache Mindestzinssatzklauseln (claúsula suelo) bei Immobiliendarlehen und Hypotheken (zum Download des Urteils bitte hier klicken):

  • Encabezamiento (Seite 1).
  • Antecedentes de hecho (Seite 2).
  • Fundamentos de Derecho (Seite 5).
  • Fallo (Seite 26).

Sollten Sie in Spanien Ausfertigungen oder Abschriften alter Gerichtsurteile benötigen können wir Ihnen gerne weiterhelfen. Bitte kontaktieren Sie uns über das Kontaktformular.